ZUG UM ZUG DURCH MYANMAR.

Es rumst. Die Diesellok koppelt an. Ein schriller Pfeifenton erlaubt die Abfahrt. Scheppernd, quiekend und rumpelnd setzt sich das rostige Monstrum in Bewegung. Nimmt gemächlich Fahrt auf. Immer kleiner wird die Yangon Central Railway Station, bis sie in der Ferne verschwindet.

Das Abteil ist geräumig. Zwei Doppelreihen, Mittelgang, weiße Hussen über den Sitzen. Erste Klasse. Jede überfahrene Schwelle schwingt den Zug horizontal. Jeden Wagon in seinem eigenen Rhythmus. Wagonwände reiben an ihren Verbindungsstellen. An der Wand gibt abgeplatztes Türkis die Eisenwände frei. An der Decke ein Ventilator im Ruhestand. Die dicken Sitzpolster zeigen deutliche Spuren der Vergangenheit. Eine eiserne Feder ragt aus meinem hervor.

Fast anderthalb Stunden dauert es, bis die Reise startet. Geduldig harren alle Fahrgäste auf ihren Plätzen aus. Schwererträgliche Gelassenheit. 257 Kilometer liegen jetzt vor uns. Mehr als zehn Stunden Zugfahrt. Vor dem Fenster ändert sich die Landschaft, wird eben, Reisfelder tauchen auf. Wunderbares Grün von hier bis dort.

Bedächtig passiert der Zug kaputte Gleise, vorbei an buddhistischen Klöstern und Kasernen. Vorbei an einfachen Hütten, hölzernen Barakken und wehenden Plastikplanen. Dicht leben Menschen an den Gleisen, von den Gleisen. Die Lok passiert Berge von buntem, zerflettertem Müll, ruckelt über stinkende, stockende, schlierende Kanäle. Mit dem Wetter wechselt auch das Leben – ducken sich die windigen Häuschen im prasselnden Regen, hängen bei Sonne vor ihren Türen Hemden und Longyis zum Trocknen.

Das Mädchen zwei Reihen weiter hinten kämmt ihr langes dunkles Haar. Steckt es zu einer kunstvollen Frisur. Draussen auf den Straßen schreiten Mönche in safranroten Roben. Immer wieder breiten sich bunte Märkte entlang der Bahnstrecke aus. Frauen und Männer scharen sich um schmauchen Garküchen. Schwere Luft dringt durch die offenen Fenster in den Wagon ein. Geruch von Gegrillten, Müll und Feuer. Regelmäßig ein kurzer Stopp. Ein- und Aussteigen.

An den Haltestellen bieten uns Händler erstklassige Verpflegung an. Gekochter Reis mit oder ohne Huhn, tropisch-süsse Früchte geschnitten oder am Stück, kleine und große Flaschen Wasser mit oder ohne Geschmack, Betelnüsse in kleine oder große Päckchen gepackt und unterschiedlichste Zigaretten oder Zigarren. Flugs wechseln diese den Besitzer. Dankend lehne ich ab. Das Loch im Boden der Bordtoilette, mit gratis Blick auf die Schienen, möchte ich so selten wie möglich in Anspruch nehmen müssen. Gierig lutscht das Kind vor mir an einem Keks. Das Verpackungs-Papierchen schwirrt fröhlich, aufgefordert durch elterliche Gesten – lass es fliegen – auf dem Rücken des Fahrtwinds hinaus aus dem Fenster. Aus den Augen aus dem Sinn.

Die Sonne taucht leuchtend in die Reisfelder ein. Der kurzen Dämmerung folgt eine tiefe Dunkelheit. Das Licht der Neonröhren taucht den Innenraum in vibrierendes kaltes Licht. Der Zug ruckelt, verdächtig erscheinende Geräusche gruseln, Schwärze da draußen. Ich schreie zu laut und hysterisch auf. Unerwartet greift mich ein tennisball-großer Käfer an. Fliegt gegen meine Schulter, prallt zurück und setzt erneut auf mich an. Wild fuchtel ich mit den Händen in der Luft. Erwische das Biest, schnippe es gegen meinen Sitz von dem es taumelnd auf den Boden fällt. Dort unten, sehe ich, ist es in bester Gesellschaft. Unzählige Insekten, von der Helligkeit angezogen krabbeln und kreuchen über den Boden. Schnell ziehe ich die baren Füßen hoch und versuche mich in mir zu verstecken. Nur noch ein paar Kilometer, denke ich.

18. Mai 2015