Viva la vida

SANTA CLARA · CUBA

Sanfter, warmer Wind umspielt unsere erhitzten Körper und langsamen Gedanken. Die Hitze des Tages weicht allmählich einer erfrischenden, abendlichen Brise.

Steil ragt der Pfad vor uns auf. Rotgoldene Sonnenstrahlen fluten die schief und abschüssig hinein geschlagenen, steinernen Stufen. Hinter uns die geschwungene Serpentine nebst einem auf Stelzen errichtetem Restaurant. Die großzügige Terrasse eng mit Tischen und Stühlen bestückt. Drumherum wiegen sich größere und kleiner Palmen. Der Blick zurück lässt uns den versprochen wundervollen Blick über Santa Clara erahnen.

Jede der Stufen ist einzigartig in ihrer Größe, ihrer Beschaffenheit, ihrer Tiefe, ihrer Breite, ihrer Abschüßigkeit. Keine gleicht der anderen. Mehr als einmal verfehle ich sie. Trete ins Leere. Oder trete früher auf, als erwartet, fühle mich kurz gestaucht. Fluche. Schwitze. Weiter. Die Sonne beginnt sich im Horizont zu verlieren. Die letzten Meter entlocken mir unerwartet Energie.

Ein mit Gras bewachsenes Plateau erstreckt sich oben auf dem Loma del Capiro. Dem Aussichtspunkt, von dem einst Che Guevara auf Santa Clara blickte. Viva la Revolucion! Das metallene Monument ragt rasierklingenscharf in den tiefblauen Himmel. Wirkt eigenartig bizarr. Als würde es einbeinig balancieren und einen dicken Reif auf Hüfthöhe tragen, aus welchem einzelne Rohre unterschiedlichen Durchmessers wachsen.

Vor uns breitet sich die Stadt aus. Flach und grün liegt sie da. Bunte Häuser, einige Plattenbauten und mitten drin im historischen Kern das Hotel Santa Clara. Mahnend, unnahbar und steif ragt es aus dem Tal empor. Überragt es fast. Man hatte darauf verzichtet die Einschusslöcher zu entfernen, die noch heute der Vergangenheit Zeugnis ablegen.

Das Licht ermattet langsam. Angenehmes Gemurmel. Mädchen kichern. Ihr Zöpfe wippen dabei fröhlich auf und ab. Jungs fordern sich heraus. Und gebaren sich dabei bisweilen sonderbar. Die unbeeindruckten Mädchen stecken die Köpfe zusammen. Tuscheln. Gegenüber schmilzt die Sonne auf dem Rücken der sanft geschwungenen Hügel. Zeit, sich wieder auf den Rückweg zu machen. Ein letzter Blick auf den glühenden Horizont, die Melodie kubanischer Rhythmen im Ohr, ein kühlender Windhauch. Oh, was bist du doch für ein wunderbarer Moment. Viva la vida.

11. September 2016