TANA TORAJA – LEBEN MIT DEM TOD.

Zwei weitere Jahre verbrachte er mit seiner Familie, er, der Tote. Täglich kochten sie ihm duftenden Reis, stellten die dampfende Schale an sein Bett. Dazu ein Glas Flüssiges, sowie ausreichend Zigaretten für den Genuss. Mumifiziert nimmt er am täglichen Geschehen teil. Stunden, Tage, Wochen, Monate um Abschied zu nehmen, den Verlust zu verarbeiten, die Trauer zu besiegen. Krank ist er, nicht tot. Leblos sicherlich, aber nicht tot. Immer noch da, nicht weg.

Die Kulisse ist atemberaubend. Sanft wiegt das Gras in der Brise. Grün, so viel Grün. Leuchtende zarte smaragdene Halme entwachsen dem dunklen satten Boden. Die Feuchtigkeit der Regenzeit liegt schwer auf dieser schwarzen Erde. Bäume rahmen die Szene, erklimmen in der Ferne die steilen granit farbenen Felsen. Schützend, mahnend, hart schimmert der Stein in der Ferne, streckt sich dem saphiren Himmel entgegen. Zieht sich daran empor, majestätisch und fern jeder Erreichbarkeit.

Männer in schwarze Sarongs und gestärkte Hemden gehüllt hocken in knöchelhohem Gras. Lauschen dem Lautsprecher, schnarrend gibt eine rostige Stimme die nächsten Programmpunkte preis. Gegenüber stampfen junge und alte Frauen ihre Bambusrohre auf einen ausgehöhlten Baumstamm. Ein tiefer dröhnender Ton wabert heraus. Umfließt uns. Lullt uns ein.

Ein Reigen blutroter wandloser Bambushütten umkesselt den Festplatz. Hölzerne schwere Stehlen entheben die Häuschen dem Boden. Reich verzierte, beschnitzte und bemalte Dächer schirmen Sonne und Hitze ab. Entrückt wirken sie mit ihrer an Bootsrümpfe erinnernden Form. Die weitläufige Anlage, eigens für die Zeremonie errichtet, platzt aus all ihren Nähten, quillt vor Gästen über. Nach der Trauerfeier wird sie wieder für Wiese und Vieh Platz machen. Temporäres Obdach für alle angereisten Gäste – Totenfeierexklusiv.

Befremdlich die Vorstellung mehrere Jahre mit der mumifizierten Version des geliebten Familienmitglieds unter einem Dach zu leben. Gruselig. Ekelig. Für uns. Krank, nicht tot. Für Tana Toraja. Die Verstorbenen geben den Hinterbliebenen ausreichend Zeit sich zu verabschieden. Die Beerdigung kann und muss warten. Nicht zuletzt um Jedem eine Teilnahme zu ermöglichen. Terminabstimmung. Anreiseplanung. Die Beerdigungs-Hochsaison im Tana Toraja Land fällt auf die Ferienzeit. Der Dezember feiert eine Beisetzung nach der anderen.

Sparen für eine Totenfeier, die ihres gleichen sucht, für mehrere hundert, manchmal tausend Gäste. Unterhalt und Logie für jeden. Die Frauen des Dorfes helfen aus, kochen gemeinsam, verteilen Essen und Getränke. Im Gegenzug gibt jeder Gast , was er hergeben kann. Zigaretten. Reis. Hühner. Schweine. Und Wasserbüffel. Mehr und mehr Geschenke werden samt Beileidsbekundung an die Angehörigen des Toten übergeben. Stundenlang. Touristen indes schenken Zigaretten und ihre Anwesenheit, diese ehrt den Toten. Einige Männer tanzen singend auf dem Gabenplatz. Ein geschenktes an Bambus gefesseltes Schwein quiekt schrill. Stundenlang.

25. Januar 2015