Eine Prise Havanna

HAVANNA · CUBA

Wild tobend schleudert sich die weiß schäumende Gischt gegen die hüfthohe steinerne Mauer. Umschließt und umfließt sie und setzt sich schlicht über sie hinweg. Die majestätisch breite Promenade, Havanna’s Malecón, ertrinkt.

Wasser sammelt sich in den unregelmäßigen Asphaltdellen, Schlaglöchern und Teerkratern, bildet spiegelnde Seen und Pfützen. Von Salzwasser geschwängerte Luft umhüllt uns. Knistert und prickelt auf der Haut. Schmeckt auf den Lippen. Seewind zerrt unnachläßig an unseren Haaren. Es riecht wunderbar nach wildem Meer.

Hier schmiegen sich die einmal prächtigen Häuser zärtlich aneinander. Stützen sich wie alte Weggenossen. Altrosa an Blassblau an Zartgelb an Schmutzigweiß. Putz bröckelt. Marodes Mauerwerk gibt sich zu erkennen. Hier und dort gestützt durch roh gezimmerte hölzerne Balken. Fenster ohne Glas und Scheiben laden hoffnungsvoll den Wind ein. Die Innenräume geschützt durch schlichte, in sich gedrehte oder gar kunstvoll in Form eiserner Lilien geschmiedete Gitterstäbe.

Dort, am Horizont, ragen unnahbare Ungetüme aus Glas und Beton in den hellblauen Himmel. Greifen nach den vorbei ziehenden, fliehenden Wolken. Dem Malecón ist das gleich, er streckt sich gelassen entlang der Küste zwischen Häusern und Meer. Sonst eine quirlige mehrspurige Straße ist er heute des Wetters wegen für Autos, röhrenden Oldtimer, gelbe Cocotaxis und jede Art von Pferdegespann gesperrt. Nur wir Fußgänger trauen uns über die Spuren hinüber, zum vom Wind aufgebrausten Meer.

Wenig neben uns peitscht eine Welle mannshoch über die steinerne Mauer, überspült den Asphalt und verschwindet mit einem satten BLOBB in einem Abfluss, um kurz darauf erneut mit Getöse über die Mauer zu schwappen. Eine nicht enden wollende Wiederholung. Etwas entfernt lädt trockene Mauer zum Verweilen ein. Wir beobachten das Schauspiel. Oh. Ah. Wow. Die Welle taktiert: viel Getöse, wenig Getöse, klein und schleichend, groß und mächtig, von oben herabfallen, von unten aus dem Abfluss aufschießend.

Eine Schwall kaltes Meerwasser überrascht uns. Nach Luft japsen. Fröstelnd und lachend greifen wir unsere Sachen, weichen gerade noch dem nächsten Wellenschwung aus. Wind und Sonne trocknen Stoff und Haar. Wir lassen den Malecón hinter uns. Zeit für einen Mojito. Oder zwei.

14. August 2016