MYSTISCHES BOROBUDUR.

Schriller Alarm beendet den kurzen Schlaf. Einer Katzenwäsche folgt die Kleiderauswahl. Als Beinkleid der blumengemusterte Sarong. Warmer Pullover gegen die Morgenkühle. Auf leisen Sohlen schleichen wir über knarzende Holzdielen aus dem schlafenden Haus. Draussen ist es dunkel. In kühler Nachtluft warten wir auf unseren Guide. Auf der Uhr eine gar unmenschliche Zeit: 4:20.

In der zagen Morgendämmerung erhebt sich vor uns mystisch als kolossale Pyramide die größte buddhistische Tempelanlage der Welt – Borodubur. Weltkulturerbe. Ragt hinauf. Flößt Bewunderung und Ungläubigkeit ein. Neun hohe Stockwerke verbunden durch steile Stufen zu jeder Himmelsrichtung. Eine glockenförmigen Stupa in der Mitte greift nach den letzten glitzernden Sternen. Der Mond hängt schwer über dem Firnament, verblasst stetig im intensiver werdenden Morgenlicht. Wunderschön anzusehen.

Ganz oben kauern und lauern Touristen. Bewaffnet mit allerlei technischer Raffiness erwarten sie gebannt den Auftritt der Sonne. Atmen feuchte Wolken in den Himmel. Drüben atemberaubende Aussicht auf die porösen dunklen Vulkane. Wabernde Nebelstreifen kriechen hinterrücks über die Bergkette. Feiner Schleier umkräuselt die Gipfel. Das Harren und Starren lohnt sich. Einen Wimpernschlag später gibt das dunkle Grau die Lichtstrahlen frei. Beharrlich langsam steigt die Sonne auf. Spaltet die pockenartigen Steinquader des Tempels in Licht und Schatten. Weiches Hell kriecht tief in die Ritzen. Golden glänzen die Risse, Kannten und Löcher.

Quadratisch umrundet jede Ebene die Spitze des Tempels. Im Uhrzeigersinn schreiten wir Plateau für Plateau ab. An den Wänden allegorische Einblicke in das Leben Buddhas. Allerlei wunderbar detaillierter steinerner Schnickschnack – Menschen, Droschken, Urwald, Elefanten, Affen und Blüten. Der Weg eingefasst von einem herrlichen Meer aus großen Steinglocken. In fast jeder befindet sich ein sitzender steinerner Buddha. Die gefalteten Hände ruhen in seinem Schoß. Der Blick in die Ferne. Irgendwo ruft ein Tonband-Muezzin zum Morgengebet.

Der kalte Luftzug weicht. Warme feuchte Luft lauern nun hinter jeder Ecke. Tumult kommt auf. Busse fahren vor. Daraus quellen Schülermassen. Wälzen die Treppen hinauf. Neugierige Blicke. Verhaltenes Flüstern. Fingerdeuten. Feixen über unsere helle Haut, die farblosen Haare, die transparenten Augen. “Hey Mister, Selfie please?” Unbedachtes Nicken. Im Nu umrundet uns ein Dutzend Jungendlicher. Telefone und Kameras fokussieren uns. Blitzlichter. Ein nicht enden wollendes Bohai. Jeder möchte sein eigenes Bild. Und alles zusammen. Die Treppe spuckt immer mehr Schüler aus. Völlig fertig ziehen wir uns zurück. Lassen die Tempelanlage hinter uns. Die Rückfahrt nach Yogyakarta verschlafen wir erschöpft und müde.

18. Mai 2015