HANOI ON A SHOESTRING.

Dunst wiegt sich zaghaft himmelwärts. Knatternde Mopeds schieben und hupen sich über den verletzten Asphalt. Aufgeregt erhebt sich ein Schwarm kleiner Vögel, schwirrt schimpfend zu einer entfernten Stromleitung. Vor mir ein großes mit Wasserperlen geschmücktes Glas Mango-Shake. Früher Morgen in Hanoi.

Die Sonne knallt erbarmungslos. Marmorne Steinplatten spiegeln hitzig, kleine Fata Morganas verwirren das Auge. Unzählige helle kleine Quadrate aneinander gereiht zu einem Großen. Barfuß haste ich über den großen aufgeheizten Platz. Andere Besucher des Temple of Literature tun es mir gleich. Die Hitze des Bodens brennt sich in unsere Fußsohlen. Angekommen auf der gegenüber liegenden Seite verursachen wir Schattensucher einen tippelnden Menschenknoten. Tür und Fenster sind kaum zu unterscheiden. Beide dienen als Zutritt, lediglich die kleine Bodenerhebung macht den Unterschied: Die Schwelle der Fenster ist eine Hand breit höher. Das gleißende Tageslicht weicht allmählich einer schummrigen Dämmerung innerhalb des tempelähnlichen Gebäudes. Umrisse werden erkennbar, der Raum gewinnt an Form. Ein drei-Mann-hoher steinerner Konfuzius sitz mit strengem Blick der Tür gegenüber. Fürbitten werden gemurmelt, erfüllen den hohen Raum. Die Luft ist schwer, Schweißperlen drängen sich aus den Poren, rinnen die Haut hinab. Zu Füßen der Statue verströmen Blumen intensiven Duft. Ein Schwarm Fliegen stürzt sich auf die mit Obst und Reis gefüllten Schalen.

Gediegenes Schlürfen und Schmatzen erfüllt das kleine Straßen-Restaurant. Jeder Stuhl ist besetzt, Kellner balancieren gekonnt Tabletts übervoller Suppenschüsseln. Heißer herzhafter Dampf strömt aus dem Keramik-Pott vor mir empor. Die kräftig klare Brühe enthält Reisnudeln, dünne Rindfleisch-Scheiben und Lauchzwiebeln: Pho Suppe. Ich presse den Saft eines Limettenstücks in diese wunderbare Suppe, verleihe ihr mit Chilipaste die nötige Hitze, bevor ich den Inhalt galant mit Holzstäbchen zutsche.

In den Straßen findet quirlig und bunt der Alltag statt, Straßenhändler bieten ihre Waren feil. Eine Händlerin hat Mühe ihr ausladend bepacktes Fahrrad zu halten. In Holzkörben türmen sich kleine sonnengelbe Mangos. Wir lächeln uns zu. Sie nickt auffordernd. Schmale mit dem Staub der Straße bedeckte Hände reichen mir eine reife Mango. Die Frau reibt mit dem Daumen über die Schale und bedeutet mir, daran zu riechen. Ich nehme lieblich süßen Fruchtgeruch wahr. Kann nicht widerstehen. Diese Mango versüßt mir den Nachmittag.

Der Eingang ist klein, kaum wahrzunehmen. Einen Atemzug lang führt der Weg hinein durch einen niedrigen stickigen Flur, erweitert sich dann zu einem mit Tischen und Stühlen bestückten offenen Raum. Eine Treppe weist den Weg ins obere Stockwerk. Pflanzen ranken sich hier aus ihren tönernen Töpfen empor, purpurne, weiße, blass-rosafarbene Blüten wiegen sich in sanfter Brise. Niedrige Hocker und kleine kompakte Tische verteilen sich über die Fläche. Einen Augenblick verweilt ein bunter Falter auf der abgewetzten Tischkante. Dunkler starker Kaffe verbreitet sein schokoladiges Aroma. Sirup-süße aufgeschlagene Kondensmilch thront auf dem Egg-Coffee. Das Glas samt Inhalt wippt auf dem heißem Wasser einer tiefen Schale. Vorsichtig rühre ich die kühle Creme unter den heißen Kaffee. Süße Sünde.

5. Juni 2014