GRENZÜBERSCHREITUNGEN.

Die Straße wird enger. Marktstände berauben sie ihrer Breite. Der kleine Bus holpert über spröden Asphalt, frisst sich gemächlich durch die Menschenmenge. Hupen, Motorjaulen, empörte Rufe, nichts bringt die Händler aus der Ruhe. Wir erreichen die Grenze. Da drüben liegt México.

Ein simpler roter Torbogen markiert den Landesausgang. Rechts raus, links rein. Der Bus stoppt abrupt, schiebt sich in eine winzige Parklücke. Alle müssen raus, zur Passkontrolle. Ich habe ein dringenderes Bedürfnis. Wo ist hier eine Toilette?

Wir drängen uns in ein kleines Wärterhäuschen. Der Beamte blickt streng, hebt eine Augenbraue, verlangt mit scharfer fordernder Handbewegung nach dem Reisepass. Seine Uniform ist mindestens so alt wie er. Ein fehlender Knopf in Bauchhöhe gibt den Blick auf seinen haarigen Ranzen preis. Speckige Haare spreizen sich unter der Mütze hervor. Seine behaarten Fleischfinger grabschen nach dem Ausweis. Sein zu langer gelber Nagel schiebt die Seiten. Zu gewissenhaft liest er Buchstabe für Buchstabe. Gibt ebenso gewissenhaft einen nach dem anderen in seinen Computer ein. Dieser stöhnt auf, ist noch älter als Beamter und Uniform. Endlich saust der Stempel aufs Papier.

Mit dem Gepäck auf dem Rücken gehts hinüber nach México. Gedränge. Mein Rucksack versetzt einer Frau einen unsanften Hieb. Im Gegenzug erwischt mich ein spitzer Ellenbogen. Die Schulterriemen schneiden tief in meine Schultern, Gewicht lastet schwer auf meinem Rücken. Der Durchgang gleicht einem Nadelöhr. Männer mit dicken Geldbündeln mischen sich unter die Grenzgänger. Kleine Deals. Ich tausche meine ersten Pesos. Zu einem miserablen Kurs.

México bietet ein größeres, offizieller aussehendes Wärterhaus. Darin empfangen uns drei Beamte. Kritisch wird der Stempel des Nachbarlandes betrachtet. Scannen des Reisepasses. Fertig. Zwei Mädels aus Spanien und Kroatien diskutieren aufgeregt mit einem Beamten. Telefongespräche, hektisches Tastaturklicken. Die Ausreise-Papiere aus Guatemala sind offensichtlich nicht korrekt. Wir werden nach draußen geführt.

Es wartet ein deutlich größerer Linienbus auf uns. Tröpfchenweise füllt er sich. Plötzlich Tumult. Die beiden Mädchen stürmen den Bus. Hektisch werfen sie ihre Sachen auf einen Haufen. Grabschen nach ihren Taschen und stolpern wieder hinaus. Sie müssen weitere Formalitäten erledigen, erklärt die Kroatin genervt. México sei korrupt. Rauscht wieder raus. Warten.

Mit ernstem hilflosem Blick steht der Busfahrer vor uns. Wir sollen entscheiden. Zwei bis drei Stunden warten, in der Hoffnung, die Mädels können ihre Angelegenheiten klären, oder fahren. Die beiden müssen wieder nach Guatemala zurück. Betroffene Gesichter. Keiner will Arschloch sein. Endlich macht jemand den Anfang. Wir sollten fahren. Betretene Zustimmung. Wir einigen uns erleichtert darauf, dass sie zu zweit sind, sich gegenseitig helfen können, gemeinsam reisen. Der Bus startet. Verschämt gesenkte Blicke durchbohren die Fensterscheiben.

7. Januar 2014