DRAMA, BABY.

Der Fensterplatz muss es sein. Sonst offenbart er sich nicht, der Moment. Der Moment in dem sich das Flugzeug langsam wie ein großer Wal beginnt auf die Seite zu neigen.

Die unerfahrenen Fluggäste fassen ruckartig zu ihrem Getränk, um es vor einem Überschwappen zu retten. Die erfahrenen Fluggäste nehmen die Situation wesentlich gelassener, taxieren den Becher aus dem Augenwinkel mit angespanntem Armmuskel, um das Unglück notfalls zu verhindern. Und die tollkühnen Fluggäste, die schlafen bereits selig. Natürlich passiert in den meisten Fällen rein gar gar nichts.

Elegant absolviert so das Flugzeug eine Looping-ähnliche, bauchkribbelnde und in den Ohren knisternde Kurve. Der Blick hinaus, durch das winzige, doppelschichtige ovale Fenster ist eine Offenbarung. Besonders am frühen Morgen. Amsterdam liegt da unten zwischen sattem Grün und irisierendem Blau. Wunderschön.

Der Landeanflug wird blechern in Rudi Carrell Tonalität angekündigt. Mein Blick schweift über das von Wasser durchzogene Land. Große, von Menschenhand geschaffene Kanäle transportieren Schiffe und verlieren sich in immer feinere natürliche Verästelungen. Dort liegen sie, die kleinen Boote. Fast jeder Holländer scheint eines davon zu besitzen. Hier gibt es mehr Wasserstraße als Asphalt. Die aufsteigende Sonne spiegelt sich in den Wogen. In der Ferne ein, zwei, drei Reflexionen. Hochhäuser deren Fenster die Sonnenstrahlen weiterleiten. Glitzern. Funkeln.

Langsam wälzt sich der Flugkörper wieder in seine horizontale Lage. Augenblicke bleiben, um den Blick erneut schweifen zu lassen. Das Farbspiel scheint seinen Höhepunkt zu erreichen blau-durchzogenes Grün mit winzigen von Wellen geschaukelten Farbklecksen. Aufgereiht an langen Stegen. Rote Dächer auf bunten Häusern, viele von ihnen mit großen weiß-gerahmten Glasfronten. Mitte Dezember, aus den Kaminen steigt weicher weißgrauer Rauch auf. Vermischt sich wie luftige Zuckerwatte allmählich mit zartrosa Wölkchen und hellblauem Himmel. Die Sonne klettert stetig am Horizont empor und erstrahlt in ehrerbietend. Ich muss die Augen zusammen kneifen.

13. Dezember 2013