ARRIBA, ARRIBA CHICKENBUS.

Kurz vor sechs. Die Dämmerung liegt wie ein schweres Tuch über Antigua. Gedämpfte Stimmung, in der Ferne das Krähen eines Hahnes. Vis-Á-vis eines Cafés warte ich auf den Bus Richtung Westen, Lago di Atitlan. Ein Backpacker-Pärchen verschnürt seine Rucksäcke. Sorgfältig zurrt er entsprechend ihrer Anweisung Gurt für Gurt fest, zieht den Regenschutz über. Ihre Silhouetten spiegeln sich im Fenster.

Frisch gemahlener Kaffee erfüllt die Luft, meine Finger umschliessen den heißen Becher Cafe con leche. Es ist kühl, die Straße glänzt speckig vor Feuchtigkeit. Es hat geregnet. Drei Stunden Fahrt und eine Stunde Bootsfahrt liegen vor mir. Einige Amigos wuchten die Rucksäcke auf das Dach des Busses. Alte, bemalte, bullige amerikanische Schulbusse. Wundervolle treue Gefährte des letzten Jahrhundert. Glänzendblaue und cremefarbene Streifen laufen entlang der Längsseiten, parallel glänzt Chrom. Unter der aggressiv rot leuchtenden Schnauze heult zornig der Motor auf. Nostalgie pur. Gängiges und günstiges Fortbewegungsmittel, durchkreuzen die Busse das Land, nehmen Menschen und Waren aller Art gleichermaßen auf.

Das Vehikel setzt sich schwerfällig in Bewegung. Es sind weitere fünf Gringos an Board. Uns verdankt er seinen Spottnamen: Chickenbus. Verkaufsstände fliegen vorbei. Reifes Obst und Gemüse, portioniert und abgepackt. Aufgespannte Grill-Hühnchen, frischer Fisch und überquellende Gewürz-Kübel, dazwischen Ballons aus pastellner weißer, grüner und rosafarbener süßer Zuckerwatte. Aufgeschichtete Reissäcke dienen bis zu ihrem Verkauf als Sitzgelegenheit. Plastikplanen und lädierte verblasste Schirme schützen die Waren. Buntes Treiben.

Die Plätze füllen und leeren sich. Ein saftiger Pfiff durch die Zahnlücke des Kontrolleurs veranlasst den Fahrer zu stoppen. Wieder steigen Menschen ein. Die Zweisitzer mutieren zu Fünfsitzern. Bald sind die Menschen im Innenraum ebenso gestapelt, wie ihre Besitztümer auf dem Dach. Die Straße wird enger und windet sich ins Hochland hinauf. Kühler Fahrtwind zieht durch die geöffnete Tür. Nebelschwaden umspielen die Strasse und verschleiern die Landschaft. Der Bus schnauft.

Unverhofft öffnet sich die Felswand, gibt einen verheißungsvollen Blick preis. Die plötzliche Intensität der Farben blendet. In irisierendem Blau ruht der Vulkansee Lago di Atitlan zwischen steilen grünüberwucherten Felshängen. Dort unten wartet ein kleines Boot auf mich.

19. Dezember 2013